Prozessdenken

In Prozessen denken
Vom Schnappschuss zum Film.
Nach hinten verstehen, nach vorne planen.
Kommunikation inklusive.

Meist nehmen wir unsere Welt Situation für Situation wahr - wie Schnappschüsse. Doch Menschen sind in der Lage, viele Situationen als Reihe zu denken, also als Vorgänge oder Prozesse.  Das hat große Vorteile, weil wir dadurch voraus- und zurückdenken können.
Das Beste daran: Wir können unsere Handlungen nach vorne planen und nach hinten verstehen. Wenn wir denn wollen. Das ist nicht nur klever. Man kann richtig viel dazulernen, wie schon Ernie und Bert im Kinderfernsehen "Sesamstraße" gezeigt haben: "What happens next?" - quasi Szenariotechnik für Einsteiger.

Die Königsdisziplin: Langfristige Prozesse sozialer Beziehungsnetzwerke verstehen

Naturwissenschaften geht es darum, die Prozesse unserer Umgebung zu verstehen. Schon das ist alles andere als einfach. Noch schwieriger ist es, die gesellschaftlichen Prozesse zu verstehen. Warum? Weil wir Menschen sind und deshalb immer selbst mitbetroffen. Egal ob Klimawandel, Wirtschafts- oder Sprachentwicklung.
Vieles verstellt uns den Blick: die toten Winkel unserer eigenen Perspektive, unsere Vorprägungen, die eigene Betroffenheit und nicht zu vergessen unser Wunschdenken.
Aber es gibt Tricks, um einen besseren Überblick zu bekommen. Jede Wissenschaft, die sich mit Menschen beschäftigt, trägt dazu bei. Etwa die Wirtschaftswissenschaften mit dem Wissen um Managementprozesse, Marktzyklen oder Wirtschaftsgeschichte. Aber auch die Sozialgeschichte mit ihrem Wissen um Entwicklungen gesellschaftlicher Strukturen und Verhaltensweisen. Oder die Sprachwissenschaften mit ihrem Wissen um den Wandel von Sprachen. Oder Psychologie, Psychoanalyse und Gruppenanalyse, mit ihrem Wissen um die vielschichtigen Ebenen psychischer Prozesse.

Als Leitwissenschaft erweist sich jedoch die Soziologie. Ihr geht es im Kern um die dynamischen Strukturen des Miteinanders von Menschen zu verstehen. Kurz: Es geht um gesellschaftliche Prozesse.

"Wir wissen viel. Aber ich denke nicht, dass wir am Ende des Weges sind. Ich sehe, was wir tun, nicht statisch, da ich in Prozessen denke."
Norbert Elias

Kommunikationsprozesse:
Navigieren in der fünften Dimension

Menschen haben ein prima Werkzeug im Miteinander entwickelt: Symbole. Sie dienen zur Verständigung und Orientierung. Menschen haben diese solange weiterentwickelt, bis daraus eigene Symbolwelten wurden - dazu zählen auch menschliche Sprachen und Schriften. Mit der Entwicklung von Symbolwelten hat die Menschheit quasi eine eigene Dimension in ihrem Universum geschaffen. Neben den drei Raumdimensionen und der Zeit bilden menschliche Symbole eine fünfte Dimension.
Symbole sind sehr nützlich, denn sie schaffen Zusammengehörigkeit und machen klar, wer zu unserer Gruppe gehört - und wer nicht. NIcht nur Tiere tun sich schwer, menschliche Symbolwelten zu verstehen. Auch Menschen aus anderen Gruppen verstehen oft nur Bahnhof. Oder wissen Sie was Elwetrische sind? In der Pfalz nennen wir so ein lustiges Fabelwesen, ähnlich dem bayerischen Wolperdinger und dem thüringischen Rasselbock.
Menschliche Symbolwelten sind quasi die Schienen, auf denen sich unser Wissen und Denken bewegt. Etwas wofür wir keine Symbole haben, können wir auch nicht denken oder mit anderen Gruppenmitgliedern teilen. Die Kommunikation über Symbole erweitert nicht nur unsere Welt, sie begrenzt sie zugleich auch.

Das Schienennetz unserer Symbole ist laufend in Bewegung. Ein bisschen wie bei den Treppen in Hogwarts bei Harry Potter, die sich nach Bedarf bewegen. Mehr noch: Wir selbst entwickeln unsere Symbolwelten in Kommunikationsprozessen nach Bedarf immer weiter, um uns mit unserem Denken und unserer Verständigung darauf bewegen zu können. Wenn wir elektronische Datenautobahnen schaffen, geben wir ihnen einfach irgendeinen Namen - und bald wissen alle, dass ein 'Netz' nicht nur zum Fischen da ist.
Alle Menschen sind auf Symbolwelten angewiesen und machen sich diese zunutze - auch Unternehmen und die Wissenschaften.

Je erfahrener man im Navigieren in Symbolwelten und Kommunikationprozessen ist, desto gezielter kann man darin steuern.
"Ein guter Alltagsdialog wickelt sich nie, niemals so ab wie auf dem Theater: mit Rede und Gegenrede. Das ist eine Erfindung der Literatur. Ein Dialog des Alltags kennt nur Sprechende – keinen Zuhörenden. Die beiden Reden laufen also aneinander vorbei, berühren sich manchmal mit den Ellenbogen, das ist wahr – aber im großen ganzen redet doch jeder seins."
Kurt Tucholsky
Share by: